Gruppenfoto der Teilnehmenden des ersten Kurses, draußen.
© forumZFD

Die Teilnehmenden des ersten Trainingkurses für Friedensfachkräfte in 1997.

Zur Entstehung der Akademie für Konflikttransformation im forumZFD

Ausgangslage

Bereits in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden in Deutschland verschiedene Ansätze zu schlichtendem und de-eskalierendem Eingreifen in kollektive Konflikte durch kleine Teams. Dazu wurden von verschiedenen Institutionen Trainings vor allem in gewaltfreiem Verhalten angeboten. Dass es dafür eigentlich eine gründlichere und umfassendere Vorbereitung geben müsste, schien zumeist klar zu sein, ohne dass dies ausdrücklich präzisiert wurde. Die entsprechenden Überlegungen thematisierten jedoch nur ansatzweise übergreifende Zielsetzungen, Strategien und Umsetzungsprinzipien.

Idee des ZFD

Verbunden mit der politischen Neu-Orientierung nach dem Ende des Kalten Krieges entstand in den frühen neunziger Jahren  aus kirchlichen und friedenspolitischen Gruppierungen heraus die Initiative für einen Zivilen Friedensdienst (ZFD), der dem militärischen Eingreifen in Krisenregionen  eine gewaltfreie Alternative u.a. durch Personalentsendung zumindest gegenüberstellen, wenn nicht gewaltorientierte Interventionen generell ersetzen wollte.

Erstes Curriculum

Die Weiterentwicklung der Idee eines Zivilen Friedensdienstes führte sehr früh zu einem Nachdenken über eine entsprechende Ausbildung der zu entsendenden Freiwilligen. Bereits 1993 legte Konrad Tempel einen ersten Curriculums-Entwurf für eine einjährige Ausbildungsphase parallel zur Konzeptentwicklung durch eine Arbeitsgruppe des Bund für Soziale Verteidigung vor. Der Autor  griff darin auf langjährige Erfahrungen in der Lehrerbildung wie auch in der an Gewaltfreiheit orientierten Friedensarbeit zurück. Im Rahmen der Kontakte im politischen Raum sowie mit den Friedensorganisationen ergab sich in der Folge die Notwendigkeit, dem entworfenen Curriculum eine breitere Grundlage zu geben und Vorstellungen zur konkreten Umsetzung zu entwickeln. Es wurde eine „Arbeitsgruppe Ausbildung für den ZFD“ gebildet, der auch VertreterInnen von bereits vorhandenen Trainingsangeboten angehörten. In intensiver Zusammenarbeit  entstand ein differenzierter „Ausbildungsplan für die Freiwilligen des Zivilen Friedensdienstes“, der im Januar 1996 zusammen mit dem erarbeiteten Konzept den Politikern und der Öffentlichkeit vorgelegt wurde.

Kernpunkte

Ausgelegt für eine einjährige Ausbildungszeit zielte dieser Plan auf die Vermittlung von Fachwissen und -kompetenzen u.a. in den Bereichen Konfliktanalyse, gewaltfreie Konfliktbearbeitung und ihre Instrumente, sowie Strategien und Methoden des „peace-buildings.“ Eine besondere Rolle war  der Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit mit vielfältigen sozialen Fähigkeiten zugedacht. Die darin genannten Leitenden Didaktischen Prinzipien bezogen sich auf das reflektierte Miteinander in den Lernprozessen und sollten eine Nutzung und Verstärkung der vorhandenen Fähigkeiten der Lernenden, ihre Selbstorganisation und Distanz zu Ideologien ermöglichen.

Dabei ergaben sich schon frühzeitig Differenzen zwischen den bisherigen und den potentiell neuen Anbietern von  Ausbildungen, die den Austausch über Gemeinsamkeiten belasteten. Sollte es z.B. so etwas wie ein verbindliches Gesamtkonzept, gar eine übergreifende Lenkung geben? Die Herstellung von vertrauensvoller Kooperation durch die dazu gebildete „Arbeitsgruppe Ausbildung“  war kein leichter Prozess, erwies sich aber später (s.u.) als unverzichtbar.

Startphase ZFD

Der Vertrag von Dayton, der  Ende 1995 den dreijährigen Krieg im ehemaligen Jugoslawien beendete, forderte die deutsche Politik heraus, die Befriedung der Region auch durch zivile Maßnahmen zu unterstützen. In diesem Rahmen fanden auf Initiative der für die Idee eines ZFD engagierten Friedensgruppen parteiübergreifende politische Vorgespräche zu einer sog. „Startphase ZFD“ statt. Geplant war der Einsatz von etwa 200 Freiwilligen  zur Gewaltvorbeugung und Unterstützung friedensbereiter Kräfte in der Balkan-Region. Hier war Eile geboten, und so ergab sich die Forderung nach einer verkürzten Ausbildung für die Fachkräfte, um deren zeitnahe Entsendung zu ermöglichen. Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des langfristigen Ausbildungsplans wurde daher Ende Januar 1996 eine verkürzte Fassung für ein nur drei- bis viermonatiges Training erarbeitet und in den politischen Diskurs eingebracht.  Das Jahrescurriculum war wegen dieser  geforderten Zeitbegrenzung durch die o.g. AG Ausbildung stark eingeschmolzen worden, ohne dass dabei auf die Kernaufgaben und entscheidende Prinzipien verzichtet wurde.

Die politischen Verhandlungen über die „Startphase ZFD“ scheiterten jedoch nach wenigen Monaten  durch den Widerspruch des damaligen Entwicklungsministers Spranger (CSU), der im Frühjahr 1996  im Bayernkurier erklärte: „Die Entsendung noch so gutwilliger freiwilliger Amateure kann bestenfalls als bodenloser Leichtsinn angesehen werden.....(Gefordert sei ) vor allem ein hohes Mass an professioneller Qualifikation.“ Dass der Ausbildungsplan eben dies anstrebte, wurde nicht zur Kenntnis genommen.

Modellvorhaben NRW

Die Ablehnung erregte Widerspruch auch in der SPD-geführten Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Die bereits vorher vom BSV begonnenen Verhandlungen mit der Staatskanzlei NRW bekamen neues Gewicht. Es ging dabei um die Idee eines Ausbildungsinstitutes in NRW, für das seitens des Ministerpräsidenten Johannes Rau Offenheit bestand. Im Rahmen der Verhandlungen kristallisierte sich dann aber die Finanzierung eines Ausbildungsangebots für zivile Konfliktbearbeitung als schneller zu verwirklichen heraus. Dieses wurde mit Unterstützung vor allem aus der NRW Staatskanzlei als gemeinsames Modellvorhaben der Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), des Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und des neugegründeten Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD) noch im gleichen Jahr etabliert. Diese planten in enger Kooperation erste mehrmonatige Trainingskurse in angemieteten Unterkünften und  Seminarräumen.

Gruppenfoto der ersten entsendeten Friedensfachkräfte.
© forumZFD

Die ersten ausgebildeten Friedensfachkräfte wurden 1999 in Konfliktregionen entsendet.

Erster Trainingskurs

Am 1. April 1997 bereits, also nach weniger als einem Jahr eröffnete der Ministerpräsident Johannes Rau  mit einem festlichen Auftakt in der Landesvertretung NRW in Bonn den ersten Kurs „Ausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung“ mit 12 Teilnehmenden. Diese Qualifizierungskurse fanden danach zweimal jährlich  im Raum NRW statt und dauerten  anfangs drei und später unter Einbeziehung einer Praxishospitation und Spezialisierungsangeboten vier Monate. Die Lerngruppe lebte und lernte zusammen unter einem Dach und nutzte die Erfahrungen des Gruppenlebens und die daraus entstehenden Konflikte für ihren Lernprozess. Die pädagogische Verantwortung lag in diesen Anfangsjahren bei dem Trainerpaar, das den Kurs unter der Mitwirkung von Fachreferenten gestaltete und die Teilnehmer und deren Lernprozess begleitete. Die TeilnehmerInnen erhielten für die erfolgreich absolvierte Qualifizierung ein Zertificat.

Bereits der erste Kurs wurde wissenschaftlich begleitet. Die  Evaluierung erbrachte eine zufriedenstellende Einschätzung, bemängelte aber, dass zu wenig direkte Vorbereitung für die Praxis im Projekt geleistet worden sei. Dies aber wurde einschließlich der Sprachvorbereitung damals noch als Aufgabe der entsendenden Träger angesehen. Zusätzlich erfolgte eine interne Auswertung des ersten Kurses. Diese führte zur Anpassung der Struktur und Inhalte und zur pädagogischen  Weiterentwicklung.

Im Folgejahr zog sich der BSV aus der direkten Trägerschaft zurück und konzentrierte sich auf die pädagogische Mitwirkung zusammen mit dem Oekumenischen Dienst und der KURVE Wustrow in Form eines Pädagogischen Beirats. Im März 1998 traf sich eine größere Gruppe von Personen, die an Ausbildungsfragen interessiert waren und Vorerfahrungen mitbrachten, zu einer dreitägigen Fachtagung auf der Burg Bodenstein. Deren Ergebnisse flossen in die weitere Ausgestaltung der Kursarbeit ein. Erstmals waren auch Entwicklungsdienste vertreten und kooperierten in der Folge mit dem Modellvorhaben.

AG Qualifizierung

Ab Januar 2000 firmierte diese Kooperation von AGDF und forumZFD unter dem Namen Arbeitsgemeinschaft Qualifizierung für zivile Konfliktbearbeitung/ Zivilen Friedensdienst. In enger gegenseitiger, manchmal auch konfliktärer Abstimmung passte die Arbeitsgemeinschaft das Kursprogramm neuen Bedürfnissen und Erkenntnissen an. So gab es bald auch berufsbegleitende Angebote auch in Form von einzeln zu belegenden Modulen sowie in der Folge auch englischsprachige Kurse, um leichter auch Menschen aus den Konfliktregionen einbeziehen zu können. Spezielle Angebote standen zur Wahl und dienten der unmittelbaren Vorbereitung für die Projektarbeit.

Institutionalisierung des ZFD

Mit dem Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 1998 konnte die Umsetzung des Zivilen Friedensdienstes beginnen, wie sie in den Koalitionsverhandlungen zwischen beiden Parteien bereits verabredet worden war. Die Verantwortung für die Projektarbeit ging an ein Konsortium von Trägern, in dem die anerkannten Entwicklungsdienste mit den beiden Friedensorganisationen zusammenarbeiteten. Dabei erwies sich das bereits laufende Trainingsprogramm des forumZFD und der AGDF als großer Vorteil. Das Entwicklungsministerium übernahm dessen Finanzierung und schrieb eine professionell ausgerichtete Ausbildung in sein Rahmenkonzept.

Die begonnene Ausbildungsarbeit  gewann durch die Einbeziehung  aller Träger des ZFD-Programms im Laufe der Jahre mehr und mehr an Bedeutung und entwickelte sich zu einer eigenständigen Säule der Forums-Arbeit. Zunehmend, wenn auch immer noch nicht in ausreichendem Maße wurden die Angebote auch von Entwicklungshilfe-Organisationen angenommen. Die Kursarbeit öffnete sich nachfolgend auch für andere Berufsgruppen und reichte damit über den ZFD hinaus.

Akademie

Ab März 2002 übernahm das forumZFD mit seiner Abteilung Qualifizierung die alleinige Gesamtverantwortung für das Trainingsprogramm. Die AGDF begleitete die Arbeit weiterhin im Pädagogischen Beirat.

Als sich dann die AGDF ein Jahr später aus der Zusammenarbeit herauslöste, war der Zeitpunkt für die Gründung der Akademie für Konflikttransformation am 1.Januar 2004 gekommen. Eingebettet in das Gesamtprogramm des forumZFD sollte mit der anspruchsvollen Namensgebung und der Einstellung von hochkompetentem Leitungspersonal  eine größere Breite der  Arbeit über den ZFD hinaus von der generellen Konflikttransformation bis in den Bereich der Friedens- und Konfliktforschung verdeutlicht werden.

Ein neuer und wichtiger Schritt hin zu einem Kompetenzzentrum für Konfliktarbeit und Zivilen Friedensdienst unter dem Dach des forumZFD war getan.

Gruppenfoto der Teilnehmende der Vollzeit-Weiterbildung draußen.
© forumZFD

Die Teilnehmenden der Vollzeit-Weiterbildung in 2018.

– Helga und Konrad Tempel, Gründungsmitglieder des forumZFD, Juli 2018